Warum Sichtbarkeit und Verbindung entscheidend sind
Rückblick & Zusammenfassung des Onlineaustauschs am 02.07.2025
👉 Zum Download: PDF-Handout „Zuzug & Vereine verbinden“
Vereine als Träger des kulturellen Lebens
Gerade im ländlichen Raum und in kleinen Städten spielen Vereine eine zentrale Rolle für das soziale und kulturelle Leben. Am Beispiel der Stadt Müncheberg mit rund 7.000 Einwohner*innen lässt sich das gut veranschaulichen: Nahezu alle kulturellen Veranstaltungen im Ort – abgesehen vom Freizeitpark „Willes Welt“ – werden von Vereinen organisiert. Selbst bei Kulturveranstaltungen in der Stadtpfarrkirche Müncheberg ist ein Förderverein einer der Gesellschafter der Betreiber-GmbH.
Zugezogene sehen oft nicht, wer hinter den Angeboten steht
Für viele Zugezogene ist diese Rolle der Vereine jedoch nicht sichtbar. Sie erleben Veranstaltungen als von der Stadt organisiert oder rein konsumierbar – und kritisieren dann auch mal die Musikauswahl oder die Qualität der Bratwurst, ohne zu wissen, wie viel ehrenamtliches Engagement dahintersteht. Oder sie bekommen von der Veranstaltung schlicht nichts mit.
Viele Menschen, die neu in eine Gemeinde ziehen, treten nicht automatisch bestehenden Vereinen bei. Desinteresse kann eine Ursache sein – strukturelle Gründe ebenso: Ein zentraler Faktor ist die mangelnde öffentliche Sichtbarkeit von Vereinen und ihren Angeboten. Während langjährige Ortsbewohner*innen meist genau wissen, wer im Ort was macht, sind diese informellen Netzwerke für Zugezogene schwer zugänglich. Wer nicht weiß, wann und wo sich ein Chor trifft oder wer hinter dem Dorffest steckt, findet nur schwer einen Einstieg.
Missverständnisse vermeiden, Verbindungen stärken
Wenn neu zugezogene Menschen dann eigene Initiativen starten oder alternative Strukturen gründen, wird das von manchen Alteingesessenen als mangelnde Wertschätzung der vorhandenen Vereinsarbeit empfunden. Dabei geht es oft gar nicht um Ablehnung, sondern schlicht um fehlende Verbindung und Information.
Umso wichtiger ist es, die Sichtbarkeit von Vereinen aktiv zu erhöhen, transparent zu machen, wer was organisiert – und warum dieses Engagement wichtig ist. Gleichzeitig braucht es unterstützte Begegnungsräume, in denen bestehende Vereine mit neu Zugezogenen in Kontakt kommen können. Engagement kann nur geschätzt werden, wenn klar ist, dass sich Menschen ehrenamtlich engagieren. Gleichzeitig besteht so die Möglichkeit, neue Mitglieder zu gewinnen und alte Strukturen zu stärken. Denn es sind die Vereine, die das Leben und Miteinander in vielen Orten lebendig halten.
Zwei Beispiele: Was Kommunen konkret tun können
Robert Nitz, Bürgermeister der Kreisstadt Seelow
Die Stadt Seelow ist Herausgeberin eines jährlichen gedruckten Veranstaltungskalenders. Dieser entsteht im Rahmen des jährlichen Vereinetreffens, das von der Stadt Seelow (Bürgermeister und Stadtmarketing) organisiert wird.
Der Kalender wird in einer Auflage von 5.000 Stück gedruckt und an alle Haushalte verteilt. Zudem ist er einfach online auf der Website der Stadt zu finden. Die aktuellen Termine werden über die Social-Media-Kanäle der Stadt Seelow in den wiederkehrenden Rubriken „Tipps zur Woche“ und „Tipps zum Wochenende“ veröffentlicht.
Die Organisation der Veranstaltung ist mit einigem Aufwand verbunden, hat jedoch viele Vorteile:
Alle Vorteile auf einen Blick
Für Zugezogene:
- Erhöhte Sichtbarkeit: Gedruckte und digitale Veröffentlichungen machen Vereinsveranstaltungen für Zugezogene (und alle anderen Bürger*innen) besser sichtbar.
- Aktuelle Kontaktdaten: Die Website der Stadt bietet einen einfachen Überblick über alle Vereine.
Für Vereine:
- Wertschätzung und Anerkennung: Die Organisation des Treffens zeigt, dass das Engagement der Vereine gesehen, geschätzt und praktisch unterstützt wird.
- Entlastung: Öffentlichkeitsarbeit muss nicht allein von den Vereinen geleistet werden.
- Vermeidung von Terminüberschneidungen: Zentrales, frühzeitiges Treffen ermöglicht bessere Abstimmung.
- Stärkere Vernetzung: Ein jährliches Treffen bringt Vereinsvorstände in Austausch und Kontakt.
Für die Kommune:
- Entlastung des Stadtmarketings: Kaum zusätzlicher Aufwand zur Veröffentlichung wöchentlicher Veranstaltungen über Social Media.
- Aktuelle Informationen: Kontaktadressen und Angebote der Vereine bleiben leicht auf dem neuesten Stand – z. B. für die Website der Stadt.
- Positives Stadtbild: Die Vielfalt der Vereinsaktivitäten stärkt das Bild einer lebendigen, engagierten Kommune.
- Gute Multiplikatoren: Der Kontakt zu Vereinen ist hilfreich, wenn es z. B. um Bürgerbeteiligung geht.
Tom Mix, ehrenamtlicher Bürgermeister der Stadt Buckow (Märkische Schweiz)
In Buckow werden alle Zugezogenen zum Neubürger*innenempfang eingeladen – gemeinsam mit Vereinen. Damit wird von Anfang an deutlich gemacht, dass das Vereinsleben in Buckow einen hohen Stellenwert hat.
Gerade in kleineren Orten sind Vereine die wesentlichen Akteure für das kulturelle Leben und Miteinander – und weit mehr als nur Freizeitangebot. Wer ist bei welcher Frage die richtige Ansprechperson? Wo findet man gute Handwerker oder kann sich Biertischgarnituren für das nächste Fest ausleihen? Viele dieser Informationen machen das Leben leichter, verbreiten sich aber meist über informelle, gewachsene Netzwerke. Den Kontakt zwischen Zugezogenen und Vereinen herzustellen heißt also auch, den Zugang zu diesen Netzwerken zu erleichtern.
Formate weiterdenken – und Hürden abbauen
Neubürgerinnenempfänge finden inzwischen in mehreren Kommunen statt. In Strausberg lud Bürgermeisterin Elke Stadeler im April zur ersten Neubürgerinnenbegrüßung ins Stadtmuseum ein – mit dem Fokus auf der Geschichte und Entwicklung der Stadt. Beide Themen – Geschichte und Vereinsleben – lassen sich natürlich gut verbinden.
Was tun bei geringer Teilnahme?
Eine häufig genannte Schwierigkeit bei solchen Formaten ist die geringe Teilnahme. Tom Mix berichtete, dass prominente Gäste helfen können, die Beteiligung zu erhöhen. Gleichzeitig gibt es praktische Hürden: Aus Datenschutzgründen bekommt der Bürgermeister keine Adressen der Zugezogenen. Die Einladungen müssen über das Einwohnermeldeamt (EMA) verschickt werden – ein persönlicher Bezug ist so kaum möglich.
Herr Winter, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit und IT der Stadt Müncheberg, sieht hier jedoch Möglichkeiten zur direkten Kontaktaufnahme: Relativ einfach ließe sich das bei der Anmeldung in der neuen Kommune umsetzen, indem die Menschen dem Bürgermeister oder den Vereinen schriftlich die Erlaubnis zur Kontaktaufnahme geben.
In der Publikation Neu im Dorf wird zudem berichtet, dass manche Kommunen Vereine ermutigen, selbst aktiv Kontakt mit Zugezogenen aufzunehmen – vorausgesetzt, diese haben vorher zugestimmt. Ein Vorteil: Nur Menschen, die wirklich interessiert sind, werden kontaktiert.
ZusammenWachsen wird von hierzulande(n) 3.0 koordiniert, ein Projekt des Kultus e.V.,
gefördert von der Staatskanzlei Brandenburg
Das Projekt ist Teil des Netzwerks der Rückkehrerinitiativen „Ankommen in Brandenburg“.

